Gentechnik (Genetic engineering) – Segen oder Fluch?

Versuch einer wertenden Stellungnahme

Dr. rer. nat. Rainer Bäuerlein

 

Biologie-News (http://www.biologie.de/) Maillingliste vom 26. Juni 2000

Die Ankuendigung des ersten Drafts des menschlichen Erbgutes fand in einer gemeinsamen Pressekonferenz in Washington und London durch Bill Clinton and Tony Blair statt. Beide Staatshaeupter stellten die ausserordentliche Bedeutung dieses Ereignisses dar, und verglichen es mit so bedeutenden menschlichen Errungenschaften wie der Mondlandung.
Bill Clinton kuendigte weitgehende Unterstuetzung fuer biotechnologische Firmen an. Beide Staatshaeupter wiesen aber auch auf die Gefahren und Risiken dieser grossen wissenschaftlichen Entdeckung hin.

Tony Blair antworte auf die Frage eines Journalisten von Sky News, ob er den damit einverstanden waere das nun bald das Erbgut seines Sohnes und auch die Krankheiten, die er eventuell bekommen wuerde, bekannt waeren mit: "Obwohl mich diese Erreignisse tief bewegen, die Erkenntnis ist nun da, wir muessen damit umzugehen lernen".

Zu den negativen Einfluessen dieser Entdeckung ist folgendes anzumerken.

1.) Das vorliegende Material ist ein erster Draft, dass heisst, dass zwar all die Buchstaben bekannt sind, aber noch nicht die Sprache vollkommen verstanden wird. Es sind zwar Teilsequencen schon uebersetzt worden, aber im allgemeinen ist es so als ob man mit dem Englisch der 5 Klasse Shakespeare uebersetzen muesste. Die eigentliche Arbeit, der genauen Uebersetzung muss erst folgen. Der totale glaeserne Mensch muss also noch ein wenig auf sich warten.

2.) Obwohl dieses Wissen zwar eindeutige Gefahren mit sich bringt, sollten diese nicht ueberschaetzt werden. Diskriminierungen aufgrund von Rasse und "Genetik" fanden auch ohne dieses Wissen schon statt. Es wird an uns allen liegen wie wir mit diesem Wissen umgehen, und welchen Regierungen wir vertrauen, dass Sie uns vor den negativen Einfluessen dieses Wissens schuetzt. Menschen die andere Menschen schaedigen wollen, werden dies tun, ob mit dem Briefoeffner oder dem Erbgut, dass Problem ist nicht das Werkzeug, sondern der Handelnde.

3.) Die Medien konzentrieren sich im Allgemeinen auf die Gefahren, da sich das besser verkaufen laesst, und vergessen oft die positiven Seiten dieser Entdeckung. Die positiven Potentiale, sind ebenfalls unbestreitbar. Krankheiten an denen heute noch Leute sterben, werden in Zukunft so gefaehrlich sein, wie eine Erkaeltung. Sie persoenlich werden vielleicht die Chance haben laenger, besser und sorgenfreier zu leben, als dass Ihre Vorfahren konnten.

Allgemein ist anzumerken, dass nach der digitalen Revolution nun die biotechnologische Revolution folgen wird. Nach dem international das Vertrauen in internettechnologische Aktien gesunken wird, ist ein Ansteigen der Aktien fuer Biotechnologiefirmen zu erwarten. Ob Deutschland dabei sein wird, ist abzuwarten, da sich Deutschland dazu entschlossen hat, Biotechnologiefirmen nur mit 40 Millionen Mark zu foerdern.

Alles, was mit moderner Biologie zu tun habe, sei unterschätzt worden, erklärte der Genforscher vom Institut für Molekulare Biotechnologie Jena. Erst 1996 sei ein nationales Programm zur Genomforschung verkündet worden. Dass die Bildungs- und Forschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) das nicht verstehe, habe mit einer prinzipiellen Schwäche der Politik zu tun. "Wenn die Amerikaner knapp drei Milliarden investieren, die Briten und Franzosen nicht geizen und neuerdings auch die Chinesen die deutschen schon überrundet haben, dann stimmt etwas nicht", betonte Rosenthal und fügte hinzu: "Das muss Chefsache werden."

Lesen Sie dazu bitte den Bericht der Rheinischen Post: Jenaer Genforscher: 'Deutschland wird ganz weit hinten liegen' (http://boerse.rp-online.de/online/news/de_pol.html?newsid=962009911).


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Obigen Artikel fand ich am 26. Juni 2000 so im Original in meiner Mailbox.

Anlässlich eines Vortrages habe ich in einer umfangreichen Arbeit eine Zusammenstellung aller alten und modernen Möglichkeiten der Genmanipulation vorgenommen. Diese Zusammenstellung ist hier auf meiner Homepage nachzulesen. Dort wird sie ständig aktualisiert und es finden sich dort weitere Quellenangaben.

Diesen Artikel schloss ich mit der Frage:

"Muss sich die Wissenschaft nach der Ethik richten oder muss sich die Ethik nach der Wissenschaft richten?"

Diese sicher provokante Frage ist nicht einfach zu beantworten – vielleicht sogar gar nicht - hängt sie doch u. a. von der Bedeutung und Interpretation des Begriffes "Ethik" ab. Schaut man in Lexika oder sucht Definitionen, so ist das Ergebnis sehr verwirrend. Gibt es überhaupt die Ethik? Nach dem Brockhaus "ist Ethik der Teil der Philosophie, der sich mit der Sittlichkeit (was wiederum ist das eigentlich?) beschäftigt", wobei es hauptsächlich um das menschliche Handeln geht. Gibt es nicht vielmehr eine christliche (katholische oder gar evangelische) Ethik, eine jüdische, eine moslemische oder die der vielen anderen Religionen? Es gibt die soziologisch ausgerichtete (v. Wiese), die existentialistisch, überwiegend französisch ausgerichtete (Satre, Camus), die empirisch-sprachanlytisch ausgerichtete (Stevenson, Hare) und viele andere mehr. Sind sie nicht gar zeitgebunden, somit dynamisch, sich ständig verändernd, keinesfalls aber statisch?
Allein diese nur kurze Überlegung zeigt, dass es die Antwort nicht geben kann und somit die oben gestellte Frage keine eindeutige Antwort erwarten lässt. Als Naturwissenschaftler werde ich mich nicht auf ein Gebiet begeben, auf dem sich weitaus Kompetentere nicht arrangieren können. Somit werde ich versuchen, mich auf einen meiner Ansicht nach möglichen Mindestkonsens zurückzuziehen, vielleicht die Frage auch offen lassen (müssen).

Nennen wir zunächst einmal die Anwendungsbereiche:

1. Anwendungsbereich Stoffumwandlung, Rohstoffgewinnung und Umweltschutz.
2. Anwendungsbereich Pflanzenzucht.
3. Anwendungsbereich Tierzucht.
4. Anwendungsbereich Biologische Waffen.
5. Anwendungsbereich Technik
6. Anwendungsbereich Mensch.

 

1. Anwendungsbereich Stoffumwandlung, Rohstoffgewinnung und Umweltschutz

Was unter diese Begriffe fällt sind z. B. die Herstellung hochwertiger Proteine aus einfacheren Strukturen, um die Nahrungsreserven auszubauen. Dazu benutzt man teilweise Abfallprodukte, die ansonsten verlustig gingen, bzw. Abfälle fallen nicht an. Durch Herstellen künstlicher DNA können neue Rohstoffe produziert werden. Durch Veränderung von Genen können Bakterien hergestellt werden, die z. B. Öl und Giftstoffe abbauen, die in die Umwelt gelangt sind.
Bei unserer heutigen Technik, speziell in der Chemie, fallen immer wieder neue Verbindungen an, die sehr resistent sind, in der Natur nicht vorkommen und von existierenden Mikroorganismen nicht oder nur sehr schlecht abgebaut werden können. Hier greift die Gentechnik ein, indem sie Gene so manipuliert, dass die Mikroorganismen neue Fähigkeiten erlangen oder vorhandene erweitern. Dies ist eine Konsequenz des Fortschrittes in der Synthese von neuen Stoffen. Hier ist die Gentechnik erforderlich, wollen wir nicht in den vielen neuen Stoffen "ersticken".

 

2. Anwendungsbereich Pflanzenzucht

Hier beginnt die Problematik, weil die Veränderung von Genen oder das Einbauen nicht arteigener Gene (Transgene) Folgeerscheinungen tätigt. Es werden dabei u. a. Pflanzen gezüchtet, die gegen Pestizide immun sind. Nun gibt es die ersten eindeutigen Ergebnisse, die beweisen, dass die eingebauten Fremdgene auf andere Pflanzen übergehen können und diese unerwünschtermaßen ebenfalls immun machen. Dass dies geschehen würde, war eigentlich zu erwarten, weil es sich um einen ganz natürlichen Vorgang handelt. Gene können über Plasmide ihre Wirte verlassen und in andere Wirte eindringen. Auch Veränderungen zur Ertragssteigerung können auf anderen Gebieten Nachteile mit sich bringen. Es gibt nicht das Erfolgsmodell. Man muss sehr deutlich von Fall zu Fall entscheiden. Auch das unsinnige Markieren der übertragenden Gene mit Resistenzgenen hat zu unterbleiben. Es gibt elegantere Methoden.
Grundsätzlich liegt in der Gentechnik bei Pflanzen die Chance zur Ertragssteigerung und zur Anpassung an neue Umweltbedingungen. Dies ist wünschenswert, wenn die Weltbevölkerung in dem Maße weiter wächst wie bisher. Auch eine Resistenzverstärkung ist wünschenswert, um den bei Monokulturen erforderlichen immensen Einsatz von Pestiziden, Fungiziden und Insektiziden einzudämmen, da von ihnen wiederum Schädigungen anderer Lebewesen ausgehen, auch solche beim Menschen.
Auch ist es mit Hilfe der Gentechnik möglich, das Verderben von Früchten zu verlangsamen. Dies ist ein nicht unbeachtlicher Faktor, wenn man bedenkt, dass ~30% (!) aller Ernteerträge bis zum Verkauf verderben.

 

3. Anwendungsbereich Tierzucht

Hier gelten im Prinzip die gleichen Dinge wie bei der Pflanzenzucht. Es werden u. a. Tiere genetisch so manipuliert, dass sie bei gleicher Nahrungsaufnahme mehr produzieren, dass sie mit minderwertiger Nahrung hochwertige Proteine produzieren. Hier wird jedoch weniger genetisch manipuliert, als mit vorhandenem Genmaterial versucht, etwas Neues zu schaffen oder das vorhandene Bekannte ohne das "Risiko" normaler zweigeschlechtlicher Vermehrung zu reproduzieren. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, dass Pflanzen in der Regel eine einjährige Reproduktionsrate, Tiere aber eine mehrjährige haben, womit die Ergebnisse und deren Überprüfung länger auf sich warten lassen.
Die konventionelle Tierzüchtung hat ihre Grenze erreicht. Hat man bei Kühen z. B. die Milchleistung zum Höchststand gebracht, so sinkt u. U. die Fruchtbarkeitsrate. Somit muss hier jetzt die Gentechnik eingreifen, es sei denn, man akzeptiert den Einsatz von Hormonen, die wir dann mit dem Fleisch wieder zu uns nehmen und deren (Aus)Wirkung in unseren Körpern noch nicht letztlich geklärt ist. Dass sie unerwünschte Begleiterscheinungen und schwere Schädigungen hervorrufen können, ist bekannt.
Durch Klonen werden z. Z. noch "alte" Tiere gezüchtet und die Variationsbreite der Genvielfalt wird eingeengt, ein Umstand, der letztlich nur negativ sein kann und den Eingriff der Gentechnik verlangen wird, um Schaden abzuwenden.

 

4. Anwendungsbereich Biologische Waffen.

Dies ist sicher ein sehr makabres Beispiel für Missbrauch von Wissenschaft. Denn hier geschieht genau das, was man nicht will. Es werden Mikroben gentechnisch so manipuliert, dass sie schwere Schäden anrichten und möglichst von der Gegenseite nicht bekämpft werden können. Zudem geschieht dies mit großem finanziellen Aufwand ohne öffentliche Kontrolle. Hier muss ohne wenn und aber eine Einstellung der Forschung verlangt werden. Diese Forschung ist inhuman und destruktiv. Ohne auf unterschiedliche Ethikbegriffe eingehen zu müssen, kann hier gesagt werden, dass dies gegen jedwede Sicht von Ethik verstößt.

 

5. Anwendungsbereich Technik

Dieser Bereich ist sicher am unproblematischsten. Hier wird Gentechnik benutzt, um chemische und physikalische Abläufe zu beschleunigen oder Konstruktionen zu minimieren. Diese Technik wird z. B. bei Chips eingesetzt und erhöht die Leitungsgeschwindigkeit und erlaubt Chips so klein zu machen, dass sie in Minigeräte eingebaut werden oder dass dadurch überhaupt erst Minischaltkreise gebaut werden können, die sich bis jetzt noch der Konstruktion entzogen.
Dieses Gebiet ist noch sehr neu und im Aufbruch begriffen und man darf gespannt sein, was sich hier noch tun wird.

 

6. Anwendungsbereich Mensch

Dieser Bereich ist der wohl sensibelste Teil der Gentechnologie. Hier muss man sich die Frage stellen, ob alles erlaubt ist, was möglich ist.

Dazu eine Vorbemerkung. Die Gentechnik greift in die Gene in der Form ein, dass sie sie wie folgt abändert:

1. Es werden Gene untersucht, um Defekte zu finden,

  • a. um zu heilen
  • b. um zu klassifizieren

2. Es werden defekte Gene durch die intakten ersetzt

  • a. durch Einsetzen in Körperzellen (Somatherapie)
  • b. durch Einsetzen in die Keimzellen (Keimbahntherapie)

3. Es werden neue Gene ein- oder ausgebaut.

4. Es werden gentechnologisch erzeugte Produkte eingesetzt.

5. Es werden Menschen geklont.

1. Es ist sicherlich ein Gewinn, dass mit Hilfe der Gentechnologie Gendefekte aufgespürt werden können. Dies ist heute mit großer Präzision möglich. Damit weiss ich (immer im Rahmen des augenblicklichen Wissensstandes), ob ein Defekt vorliegt. Dieses Wissen kann ich ungenutzt lassen oder in zweierlei Art nutzen:

    a) Es wird eine Therapie vorgeschlagen, um die geschädigten Gene zu ersetzen, auszuschalten oder durch Gabe von Medikamenten zu beeinflussen.

    b) Die Genanalyse kann dazu dienen, Krankheiten oder Dispositionen aufzuzeigen, die einen Menschen für bestimmte Tätigkeiten ungeeignet erscheinen lassen. Dazu können mentale und körperliche Schwächen, aber auch Allergiebereitschaften gehören. Man kann also einem Lehrling sagen, dass er für bestimmte Berufe ungeeignet ist (z. B. Latex-Allergie). Dies kann spätere unangenehme Überraschungen vermeiden helfen und die Sozialkassen entlasten (Umschulung, vorzeitige Pensionierung).
    In Amerika werden nach vorsichtigen Schätzungen über 80% der Arbeitnehmer in dieser Richtung untersucht. Dies geschieht z. T. ohne Wissen der Personen (wer weiß schon, was alles mit einer Blutprobe oder einer unbemerkten Gewebeprobe passiert) oder der Bewerber wird um Einverständnis gefragt. Lehnt er ab, ist er aus dem Rennen.
    Hier gibt es große Manipuliermöglichkeiten und es besteht die Gefahr, dass der total "gläserne" Mensch entsteht, der keinen Entscheidungsfreiraum mehr hat.
    In Deutschland wurden im Jahr 2000 etwa 80.000 Pränataldiagnosen durchgeführt. Bei einer Befragung von 1.157 Schwangeren waren bereits 18,6 % der werdenden Mütter bereit eine Abtreibung vornehmen zu lassen, wenn lediglich ein genetisch bedingtes Übergewicht zu erwarten wäre!

2. Jetzt wird auf Teil 1.a) aufgebaut. Es ist sicherlich völlig in Ordnung, wenn von dem Wissen in der Form Gebrauch gemacht wird, dass jetzt der Defekt behandelt wird. Hier sei auf folgendes Problem aufmerksam gemacht: Die Medizin schreitet auf Grund des technischen Fortschrittes in Biologie, Chemie und Physik immer schneller voran und kann heute Menschen wenigstens so behandeln, dass sie weiterleben, gar beschwerdefrei oder wie völlig Gesunde leben können. Das hat, ganz nüchtern betrachtet, zur Folge, dass die Zahl der Menschen, die mit krankheitserzeugenden Defekten leben, immer größer wird und dass immer mehr "kranke" Menschen Nachkommen zeugen, die wiederum krank sind. Dies ist ein Circulus vitiosus, den man gerechterweise aufzeigen muss. Um es gleich klarzustellen, es soll hier im Weiteren keiner Euthanasie das Wort geredet werden. Es geht um nüchterne Darstellung und Wertung der Tatsachen.

  • a) Eingreifen kann man, indem man gesunde Zellen in das kranke Gewebe einsetzt und dieses veranlasst, seine normale Tätigkeit wieder aufzunehmen. Als Beispiel diene hier der Diabetes. Bei einem Kranken haben die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse die Fähigkeit zur Insulinbildung verloren. Setzt man nun intakte Zellen ein, so können die Inselzellen ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Der Patient ist geheilt und lebt ohne Medikamente wie ein normal Gesunder. Geheilt ist aber nur die behandelte Person. Das Erbgut ist nach wie vor krank. Die nächste Generation muß u. U. wieder behandelt werden.

  • b) In diesem Fall geht häufig a) voraus. Damit der jetzt "Gesunde" seine nach wie vor kranken Erbanlagen nicht weitergeben kann, müssen jetzt die defekten Genabschnitte in seinen Keimzellen durch die gesunden Genabschnitte ersetzt werden. Damit ist die Krankheit im Prinzip ausgerottet. Die nächste Generation ist gesund und kann nur gesunde Gene weitergeben. Das Entscheidende ist hierbei, dass nicht nur an den Symptomen kuriert, sondern dass die krank machenden Gene geheilt wurden.

3. Hier werden völlig neue Gene eingebaut, die der Mensch vorher nicht hatte, die es aber sehr wohl bei Tieren gibt. Der Mensch bekommt Fähigkeiten, die er vorher nicht hatte. Genauso gut ist es möglich, Gene abzuschalten, um unerwünschte Wirkungen zu beenden.
Ganz gleich, ob diese nun gut oder schlecht sind, hier ist die Grenze des Erlaubten mit Sicherheit erreicht. Es erfordert große Sensibilität damit umzugehen und es bedarf hier sehr genauer Vorschriften. Äußerste Wachsamkeit ist geboten.

4. Dazu gehören Medikamente, Impfstoffe und viele Proteine. Da die Gene immer Proteine verschlüsseln, gehören die Produkte in diese Stoffklasse. Als Beispiel sei hier das künstlich gewonnene Insulin genannt. Wurde früher den diabeteskranken Tierinsulin gespritzt, wird heute menschliches Insulin verabreicht, dass von Bakterien mit Hilfe menschlicher DNA hergestellt wird. Dies kann nur als Segen betrachtet werden, da tierisches Insulin sich, wenn auch geringfügig, von menschlichem in der Wirkung unterscheidet.
Fasst man alles zusammen, so muss festgestellt werden, dass wir ohne Gentechnik wohl nicht mehr auskommen werden. Dies gilt auch für an die an Menschen praktizierte Gentechnik. Sie wird nicht zuletzt durch den Fortschritt der Medizin erforderlich, die immer besser die Symptome der Krankheiten in den Griff bekommt, aber damit indirekt für deren schnelle Ausbreitung mitverantwortlich ist, ein Wettlauf, den wir so nur verlieren können.
Seit nunmehr 30 (!) Jahren wird von "Ethikkommissionen" vergeblich versucht, eine ethische Basis zu schaffen, die gemeinsam getragen werden kann. In dieser Zeit ist die Forschung weiter fortgeschritten und die Wissenschaft bringt immer schneller neue Erkenntnisse. Die vielen teils tendenziösen Zeitungsberichte verunsichern die Menschen immer mehr und sind alles andere als hilfreich. Auch die vom Bundestag am 30. Januar 2002 beschlossene Behandlung der Stammzellen ist eine halbherzige und im Grunde genommen verlogene Lösung, die schon vor Beschlussfassung hinter dem wissenschaftlichen Stand hinterherlief.
Eine sachliche Argumentation ist in vielen Fällen unmöglich, weil einerseits Informationsmangel herrscht, andererseits bewusst Fehlinformationen gestreut werden. Einflussreiche Institutionen wie die Kirchen versuchen Einfluss zu nehmen und drohen sogar (Kardinal Meißner zu den MbBs : Eine Zustimmung würde Konsequenzen haben.) Auch werden die ständigen Bedenkenträger nicht müde, jedweden Fortschritt zu verteufeln. Deutschland ist inzwischen das Land mit den schärfsten Bestimmungen und den längsten Genehmigungsverfahren für den Einsatz neuer Techniken. Wenn wir nicht endlich den Mut haben, Neues zunächst ohne Vorbehalt zu  prüfen und auf den Weg zu bringen (das heißt nicht bedenkenlos, sondern mit der notwendigen Sorgfalt), werden wir das Nachsehen haben. Fortschritt an sich ist nicht unbedingt gut oder schlecht, aber ihn ständig zu zerreden, vernichtet unsere Existenz.

5. Die Klonung von Menschen soll nun stattgefunden haben. Angeblich hat eine Mutter in den USA mit Hilfe der Firma Clonaid im Dezember 2002 ein geklontes Baby "Eve" zur Welt gebracht. Es ist bekannt, dass für die Zeugung von "Dolly" nahezu 300 Embryonen "verbraucht" wurden und dass für den Menschen voraussichtlich etwa 1000 (!) Embryonen "verwertet" werden müssten. Ganz zu schweigen ist hier von dem Risiko, dass Kinder mit gravierenden Erbfehlern geboren werden könnten. Bei Versuchen an z.B. an Affen, Schweinen und Mäusen beträgt die Rate von Fehlern etwa 95%.

Die ethische Seite wird sehr unterschiedlich gesehen. Interessant ist dabei, dass z. B. der holländische Ethikprofessor Jean-Pierre Wils (Kath. Universität Nijmengen) dazu u.a. Folgendes Bemerkt: "Ich sage nicht, Klone wären wünschenswert. Ich weise nur darauf hin, dass durchaus Argumente existieren, die sie ethisch tolerabel erscheinen lassen. . . " Zitiert aus FOCUS 2/2003, Seite 70.

Meine zu Beginn gestellte Frage lässt sich für mich nur wie folgt beantworten:

"Es gibt heutzutage keine allgemein gültige Ethik, die der Wissenschaft vorschreiben könnte, wo ihre Grenzen sind. Sie ist ständig im Fluss, und gerade deshalb ist Wachsamkeit unerlässlich, nicht aber tatenloses Abwarten."